Eröffnung durch den Kulturstadtrat Markus Lakounigg
Einleitende Worte: Prof. Mag. Raimund Grilc Musikalische Umrahmung: Richy Vejnik "Humus"
„Um-uns und In-uns“ Karl Vejnik geht alles andere, als den gedanklich bequemen Weg. „Ich anerkenne nicht, was mir in die Wiege gelegt wurde“. Seine bedingungslose Haltung zur historisch aufgeladenen Selbstvergewaltigung im Sumpf des politischen und religiösen Lügentheaters als Schauspielerei, der Tugend und der Sünde. Ein Leben ohne Selbstforschung wäre für ihn nicht lebenswert. Wie er die Dinge betrachtet, ist immer eine Frage des Abstands. In seinem neueren Bilderzyklus „Um-uns und In-uns“ bezieht sich der Künstler in erster Linie auf Friedrich Nietzsches 1881 erschienenes philosophisches Werk „Morgenröte“. Gedanken über die moralischen Vorurteile, die sich dem Thema der Moral, der Entstehung und dem Anspruch auf Wahrheit moralischer und religiöser Lehren widmen. In Nietzsches „Morgenröte“ findet man einen „Unterirdischen“ an der Arbeit, einen Bohrenden, Grabenden, Untergrabenen. Man sieht ihn, vorausgesetzt, dass man Augen für solche Arbeiten der Tiefe hat. Kein Zweifel: Nietzsche in der „Maske“ des Erkenntniskritikers liefert einen beispiellosen Auftritt auf die Bühne der Philosophie. „Den Demokraten ein Ärgernis und den Professoren eine Torheit, lässt der Name Nietzsche noch immer die Herzen von Künstlern und Revisionisten höher schlagen“, schrieb Peter Sloterdijk. Nietzsche wollte zum Dichter seines Lebens werden, durch sein Denken. Er hat Rollen und „Masken“ gewählt als Freigeist, Psychologe, Moralist, Prophet und Narr. Doch ist sein Denken existentiell, weil es um die Gestaltung des eigenen Lebens geht. Sein Denken ist experimentell, weil darin die ganze Erkenntnis- und Moraltradition auf den Prüfstand gestellt wird. Und er ist exemplarisch in seinen Antworten auf das Problem des Nihilismus. Er sei Dynamit – in der Tat war sein Denken ein Laboratorium der Moderne, wo mit hochgefährlichem Stoff umgegangen wurde, zitierte Rüdiger Safranski. Weiteres schrieb Safranski in „Nietzsches Biographie seines Denkens“: „So lange der Genius in uns wohnt, sind wir beherzt, ja wie toll, und achten nicht des Lebens, der Gesundheit und der Ehre; wir durchfliegen den Tag freier als ein Adler. (…) Aber auf einmal verlässt er uns, und ebenso plötzlich fällt tiefe Furchtsamkeit auf uns: wir verstehen uns selbst nicht mehr, wir leiden an allem Erlebten, an allem Nichterlebten (…) wie erbärmliche Kinderseelen, die sich vor einem Geraschel und einem Schatten fürchten.“ So beschrieb Friedrich Nietzsche diesen Selbstgeburtskampf in seiner Aphorismensammlung „Morgenröte“. Wie also lässt sich die lebendige Leidenschaft für die Erkenntnis gegen das Leiden an ihrer Endlichkeit verteidigen? Was taugen die alten Begriffe von Wahrheit und Moral, wenn die Erkenntnis der inneren wie der äußeren Welt bei der Erscheinung endet? Das, was den Menschen so schwer zu begreifen fällt, ist ihre Unwissenheit über sich selber, von den ältesten Zeiten bis jetzt! Nicht nur in Bezug auf Gut und Böse, sondern in Bezug auf viel Wesentlicheres! Noch immer lebt der uralte Wahn, dass man wisse, ganz genau wisse, wie das menschliche Handeln zustande komme. „Erkenne dich selbst!“, ist die ganze Wissenschaft. Erst am Ende der Erkenntnis aller Dinge, wird der Mensch sich selber erkannt haben. Denn die Dinge sind nur die Grenzen der Menschen. Auch wenn Menschen so eng zusammengehören: Es gibt innerhalb ihres gemeinsamen Horizontes noch alle vier Himmelsrichtungen, und in manchen Stunden merken sie es. Denn auch große Geister haben nur ihre fünf Finger breite Erfahrung, gleich danach hört ihr Nachdenken auf und es beginnt ihr unendlich leerer Raum und ihre Dummheit. „An sich ist nichts weder gut noch böse, das Denken macht es dazu.“ (W. Shakespeare) Wenn man an dieser Stelle die „Verderblichkeit“ ins Spiel bringt: wie verdirbt man einen Jüngling am sichersten? Wenn man ihn anleitet, den Gleichdenkenden höher zu achten, als den Andersdenkenden. Möglichkeiten der Vorstellung gibt es unzählige, doch Zorn sollte außerhalb der zulässigen Begrenzungen liegen. Die französische Psychoanalytikerin Luce Arigaray führte an: „Jedes Begehren hat einen Bezug zum Wahnsinn.“ Letztendlich nehmen die politischen und religiösen Volksverhetzungen weiterhin ihren Lauf. Ein Angebot auf Hoffnung gibt es nicht. „Poesie des Hasses“ hält an, und die früheren Rächergestalten tauchen immer wieder auf. Vejnik Karl verarbeitet seine Auseinandersetzungen als erweiterte Kunstform der eigenen Gestaltungsprinzipien und als Sozialäußerung mit der Doppelpräsenz im Zentrum des Leitthemas. Masken gehören zu den ältesten Ritualgegenständen der Menschheit und man kennt sie wohl in allen Kulturen. In diesem Zyklus ist die Maske ein wesentliches kompositorisches Element. In den letzten Jahren sind Vejniks Collagen für die Kombination von gesammelten Gegenständen geworden, aber doch eigene Kunstwerke geblieben. Man muss jedoch, um den dramatischen Zusammenhang der Maskierung nachzuempfinden, das Fundament freilegen, indem man sich – Maske für Maske – selbst objektiviert. Man beginnt einen gewaltigen Reiz der Selbstverführung auf sich selbst auszuüben – als wolle man sich dazu überreden, sich endlich für „sich gefunden“ zu erklären. Dieses Zwei-Sein hat nicht mehr die gestaltlose Qualität eines unformulierbaren Drangs und das anspruchsvolle Leiden des Mit – sich – selbst – Schwanger – Gehens. Das Zwei – Sein präzisiert sich in eine denkende Unruhe – ein scharfes Hin – und – Herspringen der Reflektion zwischen der apollinischen und der dionysischen Dimensionen der Maske. Dieses unruhig produzierende Hin und Her stiftet die Denkbewegung des allesdurchschauenden kritischen Verdachts. Es ändert nichts daran, dass bei Nietzsche in dramaturgischer Hinsicht die kunstbegeisterte Welt des Scheins das letzte Wort behält – mag dieser Schein von jetzt an auch unendlich tiefer schillernd vor unseren Augen tanzen
Turmgalerie Völkermarkt
Herzog Bernhard Platz 1
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